Sonntag, 27. Januar 2013

Geschichte Teil 5

 Hallo, heute Teil 5 der Geschichte. Der Autor lässt ausrichten, dass der nächste Teil ein wenig länger auf sich warten lassen wird.

In den folgenden Tagen bekam ich keine weiteren Nachrichten von C. Da einige Klassenarbeiten anstanden verbrachte ich die meiste Zeit mit dem Lösen von Hausaufgaben und dem Lernen verschiedener Funktionsarten, die in Mathe abgefragt werden würden. Die Schule war mir nie besonders schwer gefallen, aber in letzter Zeit stiegen sowohl die schulischen Anforderungen, als auch meine eigenen an mich selbst, da das Endjahreszeugnis diesmal wichtiger sein würde, als die Zeugnisse, die ich bisher bekommen hatte. Und so löste ich Gleichung um Gleichung auf dem kleinen Couchtisch des Comicladens, hin und wieder unterbrochen von einem Spiel mit Vincent oder einem kleinen Gespräch mit Herr Horowitz. Der Schlüssel blieb die ganze Zeit über in meiner Schreibtischschublade, nur abends holte ich ihn manchmal heraus, drehte ihn im Licht und versuchte die Muster zu erkennen, die anscheinend kleine Figuren und Menschen darstellten. Nach etwa einer Woche hatte ich den Großteil der Arbeiten hinter mich gebracht und befand mich auf dem Weg nach Hause, erfüllt von dem einzigartigen Gefühl, welches sich nur an einem Freitagnachmittag nach einer Woche voller Arbeiten und mit der Aussicht auf ein freies Wochenende einstellen kann, als ich ihn wieder sah. Es war dieselbe Station wie beim ersten Mal, als ich ihn gesehen hatte, nur hatte er diesmal seine alte, grüne Jacke gegen eine neue, dunkelblaue Winterjacke eingetauscht. Die zerfetzte Mütze trug er allerdings immer noch. Er stand wartend in der Mitte des Gleises und hatte die Hände in die Taschen gesteckt. Als er mich am Fenster erblickte, lächelte er und bedeutete mir mit einer Handbewegung, zu ihm auf das Gleis zu kommen. Unbehagen beschlich mich. Seit meiner Begegnung auf der Brücke und dem rätselhaften Brief vor einer Woche hatte ich mir viele Gedanken über den Mann gemacht, war aber nie zu einem Schluss gekommen. Allerdings war ich auch neugierig, was er mir wohl sagen würde, hatte ich doch insgeheim gehofft, ihn wieder zu treffen, so wie er es in dem Brief angekündigt hatte. Ich verließ die Bahn. „Freut mich, dass du gekommen bist.“, sagte der Mann ruhig und reichte mir seine Hand, die ich nur zögernd ergriff. „Was wollen Sie?“, fragte ich, „Und was sollte dieser Brief?“ „Alles zu seiner Zeit, das ist nicht unbedingt der beste Ort, um viele Fragen zu beantworten, findest du nicht? Ich kenne ein kleines Café in der Nähe, wie sieht’s aus hättest du Lust auf einen Kakao?“ Unschlüssig blieb ich einen Augenblick stehen, doch dann willigte ich ein und folgte dem Mann auf die Straße. Die Station befand sich in der Nähe des Zentrums der Stadt, überall waren kleine Läden und Restaurants, Bäckereien, oder Imbissbuden. Es dauerte nur etwa fünf Minuten, bis wir das Café erreicht hatten. Wir setzten uns an einen Tisch am Fenster und der Mann bestellte zwei Kakao, die kurz darauf dampfend vor uns standen. Schließlich begann der Mann zu sprechen: „Du hast mit Sicherheit eine Menge Fragen und ich werde versuchen, alles, was ich dir sagen kann so gut wie möglich und der Reihe nach zu erklären. Zunächst einmal freut es mich, dass du das Angebot angenommen hast.“ „Woher wollen sie wissen, dass ich das getan habe?“, fragte ich misstrauisch. „Nun, andernfalls wäre der Schlüssel wohl längst zu mir zurückgekommen, schätze ich. Er verschwendet nicht gerne seine Zeit.“ Täuschte ich mich oder war da tatsächlich etwas Belustigung in seiner Stimme zu hören? „Warst du schon mal an einem Ort, der dir ewig vorkam?“, fragte der Mann auf einmal, „Ein Ort, der dich durch seine bloße Anwesenheit in seinen Bann gezogen hat?“

Der Mann hob die Augenbrauen und sah mich direkt an, dann schien er etwas in meinem Gesicht zu erkennen. „Es ist nicht wirklich etwas Greifbares, kein Geruch oder Bild und doch liegt etwas in der Luft, was deinen Kopf mit Gedanken jeder Art erfüllt, plötzliche Eindrücke, Gefühle und ein bisschen… zu Hause.“ Der Mann hielt kurz inne und betrachtete seinen Kakao, dann nach einer kurzen Pause begann er wieder zu sprechen. „Die Wahrheit ist, der Ursprung von all den Gefühlen, ist nicht der Ort selbst, sondern jemand, der in ihm wohnt, der auf eine bestimmte Art und Weise mit ihm verbunden ist. Du siehst ihn nicht und trotzdem ist er da. Er bewacht den Ort.“ Ich runzelte die Stirn. Zweifel schlichen in mir hoch, nicht nur an dem, was der Mann sagte, sondern an der ganzen Sache an sich. „Und wer genau sollte das sein?“, fragte ich, nicht ganz überzeugt. „Oh, es gibt viele Namen für sie, Bücher wurden über sie geschrieben und wieder vergessen, Erlebnisse wurden mündlich überliefert und sind wieder verlorengegangen und trotzdem tauchen sie hin und wieder in einer… Gute-Nacht-Geschichte auf. Jetzt nahmen meine Zweifel Überhand. Mit unverkennbarer Skepsis in der Stimme fragte ich schließlich: „Sie meinen… Hexen und Gespenster und so ein Zeug?“ Der Mann sah mich einen Augenblick an, dann sagte er: „Ja, genau. Genau das meine ich! Hast du beim Hereinkommen nicht bemerkt, dass die Kellnerin dort an der Theke kein Spiegelbild hat?“ Meine Nackenhaare sträubten sich. Langsam wandte ich mich um und betrachtete die Kellnerin, die einige Meter von uns entfernt an der Theke stand und dabei war, Geschirr abzuwaschen. In dem großen Spiegel in der Mitte des Regals konnte ich eindeutig ihr Spiegelbild erkennen. Ich drehte mich wieder zu dem Mann herum. Er hatte ein schiefes Lächeln aufgesetzt und schaute mir mit einem belustigten, auf eine Antwort wartenden Blick in die Augen. Ich kam mir dämlich vor. „Ok, das war sehr komisch, aber was hat das alles mit mir zu tun?“ Das Lächeln des Mannes verschwand, „Nun, eigentlich hat es eher mit deinem Schlüssel zu tun. Er ist deine einzige Möglichkeit, dem Ort auf den Grund zu gehen und deine einzige Möglichkeit, wieder von ihm zurückzukommen, was nicht weniger wichtig ist.“ Ich war immer noch skeptisch, „Und warum genau sollte ich überhaupt zu so einem Ort gehen wollen?“ Der Mann zögerte kurz, dann sagte er: „Vielleicht, weil du den Ort suchst, an dem du zu Hause bist?“ Ich bekam ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Plötzlich griff der Mann zu seinem Kakao, öffnete die beiden Papiertütchen mit Zucker und schüttete sie in die Milch. Nach kurzem Innehalten nahm er sich noch zwei weitere Tüten aus einem Glas, das in der Mitte des Tischs stand. Dann langte er unter seine Jacke und zog eine Plastiktüte hervor. „Ich für meinen Teil trinke meinen Kakao immer mit Marshmallows. Wirklich eine Schande, dass sie die nicht dazugeben!“

1 Kommentar:

  1. Ich finde immernoch, dass die Geschichte zu wenig vorankommt. Der Text ist ja gut geschrieben, aber in dem ganzen Artikel kam nur "ein seltsamer Ort" als Neues hervor. Aber vielleicht bin ich auch einfach nur zu ungeduldig :-).

    AntwortenLöschen